Besteht noch Hoffnung für die jungen Belaruss*innen? – Die Parlamentswahlen 2024

2020 hat eine nie dagewesene Protestwelle die Welt nach Belarus blicken lassen. Dreieinhalb Jahre später hält sich Diktator Lukaschenko immer noch im Amt – und die meisten Menschen haben die Hoffnung verloren. Von den Parlamentswahlen letzten Sonntag erwarten sie keinen Wandel, höchstens eine Rückkehr der Gewalt.

Gerade die junge Gen-Z, die sich über unabhängige Internetmedien und Blogger informiert, setzt sich für Veränderung in Belarus ein. So auch Lenja, die sich noch ganz genau an den Sommer erinnert, der ihrem Land den Wandel hätte bringen sollen. Zusammen mit zwei Freundinnen ging sie damals demonstrieren. „Viele, die ich kenne, gingen plötzlich auf der Straße. Da konnte ich nicht einfach zu Hause sitzenbleiben, als wäre nichts.“ Es hat sie hinausgetrieben. Das Gefühl, gemeinsam zu protestieren, werde sie nie vergessen. Die Stimmung war magisch. Vor Konsequenzen hatte sie keine Angst. „Wir waren so viele. Alle konnten sie ja nicht festnehmen.“ Fast vier Jahre später ist von der Euphorie nichts mehr zu spüren. Jetzt sagt sie, dass es Belarus schlechter ginge, und dass viele es auch im Landesinneren bemerkten. „Jeder hat einen Internetzugang – wer Staatsfernsehen schauen will, ist selber Schuld.“ Seit Belarus und Russland wieder stärker kooperieren und Belarus Territorium für den Krieg bereitstellt, wurden die Sanktionen des Westens gegen Belarus erneut verschärft. Die Inflation und Arbeitslosenquote ist so hoch wie noch nie. Im Dezember 2023 lag die Inflationsrate bei 18,2% – die höchste seit der Unabhängigkeit von Belarus im Jahr 1991.

Ein Großteil der belarussischen Gesellschaft ist desillusioniert von der politischen Situation. Die Menschen glauben nicht, dass die Wahl, bei der die Opposition abgelehnt wurde, etwas ändern kann. Nach einem zugesagten Interview wird mir in letzter Sekunde mit den Worten abgesagt, die Wahlen seien Zeitverschwendung und aus dem engen Umkreis ginge niemand hin. „Sie werden schon die richtigen finden, wie immer und überall“, heißt es. Auch Lenja würde nicht mehr hinausgehen, falls wieder protestiert wird. Dass es in naher Zukunft nochmal zu so einer Protestbewegung in dem Ausmaß wie damals mit Hunderttausenden Menschen kommen wird, hält sie für unwahrscheinlich. Auch nächstes Jahr nicht, zu den für 2025 angesetzten Präsidentschaftswahlen. „Das war 2020 schon sehr besonders. Es war praktisch wie ein Sog, dem man sich nicht entziehen konnte. […] Erst, wenn die Situation sich mit Putin entspannt, haben wir die Chance, dass sich etwas am autoritären Regime ändert. Gerade bringt es einfach nichts.“

Lukaschenko weiß, dass die von seiner Regierung im Voraus auskalkulierten Parlamentswahlen nichts anrichten können. Er kann Gesetze per Dekret erlassen, ohne die Zustimmung des Parlaments einzuholen. Dennoch trifft er alle Vorkehrungen, Massenproteste wie die vor vier Jahren nicht noch einmal geschehen zu lassen. Innenminister Kubrakow teilte im Staatsfernsehen teilte zum Beispiel mit, in jedem Wahllokal einen Alarmknopf zu installieren, wie ihn auch Bankangestellte für den Fall eines Raubüberfalls haben. Zudem würde jedes Wahllokal strengstens überwacht und Einsatzgruppen stünden bereit, um notfalls, zum Beispiel bei einem sich anbahnendem Aufstand, einzugreifen. Diese Art der Unruhe im Land kann sich Lukaschenko nicht noch einmal leisten. Jetzt kann man sagen, dass die Wahl ohne Zwischenfälle, angeblich mit einer Beteiligung von 72,98 Prozent, verlaufen ist, wie das Regime mitteilte.

Offensichtlich ist der Regierung auch bewusst, dass die Wahlen dem Westen nicht als solche verkauft werden könnten. Daher luden sie nicht einmal OSZE-Beobachter ein, sondern entschieden sich stattdessen lieber gleich dafür, nur Vertreter Russlands und anderer befreundeter Länder einzuladen. Die Wahlbeobachter der OSZE waren zu den letzten Präsidentschaftswahlen 2020 wenigstens angereist, wenngleich sie am Wahltag von der belarussischen Regierung ausgewiesen wurden.

Lukaschenko weiß, dass es nicht mehr viel bis zum Putsch fehlen könnte. Gerade deshalb geht er kein unnötiges Risiko ein. Dass Putin ihm zur Seite steht, war nicht immer so. In den frühen 2000er Jahren waren die Beziehungen zwischen Putin und Lukaschenko angespannt. Lukaschenko wehrte sich gegen die Einmischung Russlands in die belarussische Politik. Doch seit der Annexion Krim 2014 und besonders seit der russischen Invasion 2022 kooperieren Putin und Lukaschenko. Wie lange noch, ist unklar. Doch bald schon könnte Putin Lukaschenko vom Amt entfernen. Immer wieder spricht Putin von einer stärkeren Integration Belarus‘ in Russland.